Zum Cellospiel und Bach

Die Musik von Bach schafft Ordnung, Harmonie, Ausgeglichenheit. Obwohl so viele Noten und Klänge mathematisch streng geordnet sind, sind andere wiederum so überraschend anders, unabhängig voneinander und doch analog, zusammenhängend, dem Ganzen untergeordnet. Diese Musik hat etwas Verbindendes, etwas Bewegendes, etwas Ruhendes in sich. Sie widerspiegelt die Unendlichkeit, die Ewigkeit, das unendlich sich Wiederholende, Entstehende und wieder Vergehende; den ewigen Rhythmus im Universum, in der Natur. Deshalb wohl bringt sie uns zurück zu uns selbst, schafft sie Klarheit und macht sie uns so glücklich und frei. Tief in die Musik von Bach versunken, fühle ich, wie Geistiges und Sinnliches miteinander verschmelzen und mein Bewusstsein – mein Herz – ist von einer überwältigenden Harmonie und Glückseligkeit erfüllt. Ich fühle mich im Jetzt und doch auch in der Vergangenheit und in der Zukunft. Ich bin in einem enthobenen Bewusstseinszustand.

– Urs Burki

Kurzportrait des Künstlers Urs Burki (5.12.1945-10.2.2017)

«Die aus Zufall entstandenen Bilder sind meist die interessantesten. Oft arbeite ich mit einer Kraft, die etwas anstösst, die Impulse setzt und einen Prozess in Gang bringen will. Meine Einbildungskraft entfaltet ihr Potential erst zur Gänze, wenn ich mit dem Arbeiten beginne. Ich frage mich dabei nie, wie der Betrachter mein Werk rezipiert: Ich mache in meiner Arbeit keine Kompromisse.»

– Urs Burki

 

Seine Kindheit und Jugend verbringt Urs Burki in Solothurn. Der Jugendliche kommt früh mit der Bildhauerei und der Malerei in Berührung. Mit seinen Eltern besucht er regelmässig Galerien und Museen in der Schweiz und in anderen Ländern Europas. Durch ihre Sammlerleidenschaft entdeckt Urs Burki auch die zeitgenössische Kunst. Die persönliche Begegnung mit Le Corbusier, Lapicque, Bazaine und anderen zeitgenössischen Künstlern sowie die intensive Auseinandersetzung mit dem Werk grosser Meister der Renaissance wie Michelangelo, Leonardo da Vinci und Dürer lassen in ihm früh den Drang aufkommen, selbst künstlerisch tätig zu sein.

Neben der bildenden Kunst prägen auch die Musik und der Sport seine Jugendzeit. Auf eigenen Wunsch besucht Urs Burki bereits mit sieben Jahren den Violoncello Unterricht. Sein Talent für die Musik darf er auch in öffentlichen Konzerten unter Beweis stellen. Nach einem intensiven Training im Rudersport, nimmt er an nationalen und internationalen Regatten im Einzelskiff teil. Ab dem achtzehnten Lebensjahr wendet er sich immer mehr dem Radrennsport zu und kann sich in der Folge als Eliteamateur qualifizieren. Später schafft er es, Mitglied des schweizerischen Nationalkaders zu werden und bestreitet, neben dem Studium der Medizin, ein paar Jahre lang nationale und internationale Radrennen.

Urs Burki absolviert sein Medizinstudium an der Universität Zürich, wo er 1972 zum Dr. med. promoviert. Während er als Assistenzarzt am Kantonsspital Luzern arbeitet, kommt er mit der jungen Künstlerszene um Luciano Castelli, Urs Lüthi und Jean-Christophe Ammann in Berührung. Urs Burki organisiert erste Fluxus- und Happeningaktivitäten und perfektioniert sein Cello-Spiel am Luzerner Konservatorium. In Luzern trifft Urs Burki auch den Bildhauer Mandy Volz, bei dem er das Bildhauer-Handwerk erlernt. Ende der 1960er-Jahre entstehen seine ersten Skulpturen. In seinem Atelier in Pietrasanta (I), wo er auch mit Künstler wie Anish Kapoor, Niki de Saint Phalle, Giò Pomodoro, Bernhard Luginbühl, Rosario Murabito, Isamo Noguchi, Cesar und Henry Moore in Kontakt kommt, arbeitet er in seiner Freizeit regelmässig als Bildhauer. Später beginnt er mit der Malerei, da sie ihm mehr Freiheit im künstlerischen Ausdruck gestattet als die Bildhauerei. Seine malerischen Arbeiten erinnern an die „New Fauves“ und bestechen durch eine expressive, emotionale, beseelte Malweise. Die Farbe trägt Urs Burki oft direkt mit den Händen und zuweilen auch mit den Füssen auf die Leinwand auf.

Ab 1974 absolviert Urs Burki am Universitätsspital Zürich eine Spezialausbildung in allgemeiner Chirurgie, in Hand- und Mikrochirurgie. Während weiterer vier Jahre spezialisiert er sich in plastischer, rekonstruktiver und ästhetischer Chirurgie und erhält 1981 den Spezialarzt FMH in dieser Disziplin. In Zürich lernt Urs Burki den international bekannten französischen Grafiker, Schriftsteller und Illlustrator von Bilderbüchern für Kinder und Erwachsene, Tomy Ungerer, kennen, mit dem er sich sehr verbunden fühlt.

Während Fellowships bei den damals führenden Spezialisten in ästhetischer Chirurgie in New York, Los Angeles, Miami, Mexico City und Rio de Janeiro entstehen Projektskizzen für diverse Skulpturen und Malereien, fotografische Arbeiten sowie Prosatexte. Urs Burki setzt sich auch immer wieder mit fremden Kulturen, Sitten und Gebräuchen auseinander. Die antiken Kulturen von Italien, Griechenland, Ägypten, Jordanien, Russland, Polen, Indien, Bali, den Philippinen, Tibet und Nepal ziehen ihn besonders in ihren Bann.

1983 eröffnet Urs Burki in Genf ein ambulantes Zentrum für ästhetische Chirurgie und 1990 die Klinik Burki für Ästhetische Chirurgie. Im selben Jahr lernt Urs Burki den französischen Maler, Computer-Künstler und Vertreter der Pop-Art, Yvaral (mit richtigem Namen Jean-Pierre Vasarely) kennen, durch den er verschiedene graphische Arbeiten für seine Klinik realisieren lässt. Aus dieser Zusammenarbeit entsteht eine tiefe Freundschaft. Durch Yvaral lernt Urs Burki auch dessen Vater, den französischen Maler und Graphiker Victor Vasarely kennen und schätzen.

Wenig später erfolgt die Eröffnung eines Zentrums für ästhetische Medizin. Urs Burki sah in der ästhetischen Chirurgie seit jeher eine Form von angewandter Kunst. Seine künstlerische Verbundenheit zu diesem Fachgebiet der Medizin motivierte ihn zwischen 1993 und 2004 zu pionierhaften Openair und Inhome-Operationen, welche von künstlerisch-performativem Charakter sind. In all den Jahren, in denen Urs Burki als ästhetischer Chirurg tätig war, widmete er sich regelmässig der Bildhauerei, Malerei und der Fotografie.

Im Jahre 2009 beendet Urs Burki ein wichtiges Kapitel seines künstlerisch geprägten Schaffens: er schliesst seine Klinik für Ästhetische Chirurgie in Genf, nimmt Wohnsitz in Monte Carlo und widmet sich fortan ausschliesslich der Malerei, Bildhauerei, Fotografie und Poesie.

Eine kunsthistorische Einordnung des Universalkünstlers Urs Burki muss dieses Künstler-Portrait schuldig bleiben. Es lässt sich genauso schwer dezidieren wie die vielschichtige Persönlichkeit und der universale Geist des Künstlers. Seine performativen Inszenierungen als ästhetischer Chirurg, seine Skulpturen, Malereien, Fotografien und Dichtungen lassen deutlich erkennen, dass der Künstler Urs Burki einzig dem Drang nach künstlerischer Freiheit und Spontanität gehorchte.

Urs Burki erlitt Anfang 2016 einen Herzstillstand und  lag danach mehr als ein Jahr im Wachkoma. Am 10. Februar 2017 ist er im Alter von 71 Jahren – kurz vor seiner ersten Vernissage als Künstler – in Italien verstorben.

Einen interessanten Einblick in das Leben und Wirken des Künstlers vermittelt die Widmung von Rosmarie Weibel-Burki an ihren Mann, “Urs Burki – eine bescheidene Annäherung an Dein Wesen” (lesen).  Der handschriftliche Text wurde in der Künstlermonografie “Der Künstler Urs Burki, Chaos und Ordnung, Werke von 1973-2016” veröffentlicht.